Die Gartenstadt Hellerau im Dresdner Norden, gegründet 1909 als erste deutsche Gartenstadt, steht vor besonderen Herausforderungen in der Wärmeversorgung. Die Stadt Dresden verfolgt für Hellerau wie auch für das übrige Stadtgebiet ambitionierte Klimaziele – bis 2045 soll die Wärmeversorgung CO₂-neutral sein. Doch wie kann ein nachhaltiges Wärmeversorgungskonzept aussehen, das den Charakter der Gartenstadt erhält, wirtschaftlich tragfähig ist und gleichzeitig die Klimaziele der Stadt Dresden erfüllt? Diese Frage stand im Mittelpunkt unserer Arbeit.
Dresden-Hellerau: Straßenzug und Lageplan
Die Gartenstadt Hellerau, gegründet 1909 als Modellstadt für modernes und gesundes Wohnen, steht heute vor der Aufgabe, ihre Wärmeversorgung klimaneutral und zukunftsfähig zu gestalten.
Als denkmalgeschütztes Ensemble mit einer heterogenen Bebauungsstruktur – von historischen Einfamilienhäusern bis zu großen Gewerbebauten – sind klassische Lösungen wie Fernwärmeanschlüsse oder standardisierte Sanierungskonzepte überwiegend nicht umsetzbar.
Eine fundierte Wärmeplanung beginnt mit einer präzisen Erhebung und Validierung von Gebäudedaten. Im Projekt Hellerau wurden vorhandene Geodaten, Katasterinformationen, Ertrags- und Energieverbrauchsdaten geprüft und bereinigt. Zudem wurden ergänzende Geodaten und bauliche Informationen erfasst, um eine belastbare Grundlage für die Bedarfsanalyse zu schaffen.
Ein besonderer Fokus lag auf der Klassifizierung der Gebäude nach Baualter, Nutzungstyp, Sanierungsstand und Heiztechnik. Diese Daten dienten als Basis für die weitere Analyse und ermöglichten es, typische Verbrauchsmuster zu identifizieren, die eine genaue Abschätzung des zukünftigen Wärmebedarfs erlaubten.
Ergebnis der Clusteranalyse für den Gebäudebestand Dresden-Hellerau. Erstellt mit Python (SKLearn, Pandas und Geopandas), visualisiert mit Matplotlib und QGIS.
Ein zentrales Anliegen der kommunalen Wärmeplanung ist die Sicherstellung einer verlässlichen und bezahlbaren Energieversorgung für alle Bewohner – unabhängig von individuellen wirtschaftlichen Möglichkeiten oder technischen Restriktionen einzelner Gebäude. In einem heterogenen Quartier wie Hellerau, das sowohl große Mehrfamilienhäuser als auch historische Einfamilienhäuser umfasst, ist die Energieautarkie der Gebäude sehr unterschiedlich ausgeprägt.
Durch eine umfassende Bestands- und Bedarfsanalyse wurde zunächst ermittelt, welche Gebäude bereits über ein hohes Maß an Eigendeckung verfügen und welche auf eine zentrale Versorgung angewiesen sind. Während einige Gebäude mit modernen Wärmepumpensystemen oder lokalen Solarthermieanlagen ausgestattet sind, zeigt die Analyse, dass ein großer Teil der historischen Bebauung nur begrenzte Möglichkeiten zur Eigenversorgung bietet. Das liegt insbesondere an fehlenden Flächen für erneuerbare Energieanlagen, hohen Heizlasten durch ungedämmte oder undichte Gebäudehüllen.
Ergebnis der Eigendeckungsgrad-Analyse basierend auf den aktuellen und prognostizierten Heiz- und Warmwasser-Verbräuchen der Gebäude, sowie basierend auf dem Erzeugungspotenzial von Erdwärmesonden (ohne Regeneration) in Kombination mit Sole-Wasser-Wärmepumpen. Schwarz eingefärbte Gebäude können Ihren Eigenbedarf nicht mit der auf dem Grundstück erzeugten Energie decken und benötigen eine Alternative, z.B. in Form eines Nahwärmenetzes.
Da eine nachhaltige Wärmeversorgung nur durch einen hohen Anteil an erneuerbaren Energien erreicht werden kann, wurde eine detaillierte Potenzialanalyse für verschiedene regenerative Energiequellen durchgeführt.
Geothermie: In einem denkmalgeschützten Quartier ist der Platz für Erdwärmesonden oder -kollektoren oft begrenzt. Durch den Einsatz von mehrlagigen Kollektoren oder Sonden mit aktiver Regeneration kann die Effizienz erheblich gesteigert werden.
Die Potenzialanalyse ergab, dass in den Gebieten ohne Eigendeckungspotenzial eine Kombination aus zentralen Geothermieanlagen auf den freien Flurstücken, solarer Wärmeerzeugung und Abwärmenutzung die beste Möglichkeit bietet, den Wärmebedarf des Quartiers klimaneutral zu decken.
Flurstücks- und Freiflächen-Potenziale für Erdwärmekollektoren (oben) und für Erdwärmesonden (unten).
Gebietseignung für ein kaltes Nahwärmenetz mit aktuellen Verbrauchsdaten (kleine Karte) und Gebietseignung mit prognostiziertem Verbrauch für den sanierten Zustand der Gebäude im Jahr 2045.
Gebietseignung für ein warmes Nahwärmenetz mit aktuellen Verbrauchsdaten (kleine Karte) und Gebietseignung mit prognostiziertem Verbrauch für den sanierten Zustand der Gebäude im Jahr 2045.
Unsere Analyse zeigte, dass dezentrale Lösungen in den locker-bebauten Arealen in Kombination mit Nahwärmenetzen in den verdichteten und denkmalgeschützten Bereichen die größten Potenziale bieten. Zur Bewertung der verschiedenen Versorgungsvarianten wurden sowohl der Eigendeckungsgrad als auch die Netzeignungen basierend auf den Jahresenergieverbrauchs-Liniendichten ermittelt. Für die netzgeeigneten Areale wurden Versorgungskonzepte aufgestellt und bewertet. Hierfür wurden unter anderem die Wärmegestehungskosten ermittelt.
Für die Variante eines Kalten Nahwärmenetzes ergaben sich folgende Vorteile:
Integration erneuerbarer Energien, insbesondere Geothermie und Solarthermie
Vermeidung hoher Netzverluste, die im Falle konventioneller Wärmenetze bei 15-20% liegen würden
Möglichkeit zur passiven Kühlung der Gebäude im Sommer
Zunehmende Eignung bei sinkendem Energiebedarf durch Sanierungsmaßnahmen in den Gebäuden